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Reportage

Taiwans einzigartige Arbeitsplatzkultur verstehen: Ein Leitfaden für internationale Geschäftspartner

Taiwans Kultur am Arbeitsplatz(職場,zhí chǎng)ist eine faszinierende Mischung aus traditionellen asiatischen Werten, modernen Unternehmenspraktiken und einer Prise einzigartiger taiwanischer Kreativität. Für internationale Besucher und Geschäftspartner kann dies sowohl herzerwärmend als auch überraschend und mitunter sogar etwas verwirrend sein.

Wenn Sie mit taiwanischen Unternehmen zusammenarbeiten oder Ihr Geschäft in Taiwan ausbauen möchten, ist das Verständnis der kulturellen Nuancen nicht nur eine Frage der Höflichkeit, sondern auch ein strategischer Vorteil. Dieser Leitfaden bietet einen Einblick in diese Welt, beleuchtet die Gepflogenheiten, die den taiwanischen Arbeitsplatz prägen, und erklärt, wie man sich darin souverän bewegt.

Mehr als nur Kollegen

Eines der ersten Dinge, die Neuankömmlingen auffallen, ist, wie taiwanische Kolleginnen und Kollegen(同事,tóngshì)miteinander umgehen. Während Bürobeziehungen im Westen oft von Professionalität mit einem Hauch von Freundlichkeit geprägt sind, ähnelt die Atmosphäre in Taiwan eher einer erweiterten Familie, in der eine gewisse Herzlichkeit dafür sorgt, dass sich der Arbeitsplatz weniger nach dem Prinzip „Leistung gegen Bezahlung“, sondern mehr nach einer Gemeinschaft anfühlt.

Die Kultur des Gruppenkaufs

Kaum eine Tradition verdeutlicht diese Zusammengehörigkeit besser als tuángòu(團購), also Gruppenkäufe. An einem ganz normalen Arbeitstag kann es passieren, dass Kolleginnen und Kollegen gemeinsam Bestellungen für Gebäck, saisonales Obst, Hautpflegeprodukte oder sogar Elektrogeräte aufgeben. Ganz nach dem chinesischen Sprichwort „團結力量大(in der Einheit liegt die Stärke)“ lassen sich durch Sammelbestellungen oft beachtliche Rabatte herausholen. Organisiert werden diese Einkäufe in der Regel über eine Messenger-App namens LINE (man kann sie als Taiwans Version von WhatsApp betrachten), in der ganze Büro-Chatgruppen mit Links, Bestelllisten und Lieferzeiten nur so brummen.

Wenn Sie Ihre taiwanischenKolleginnen und Kollegen in aufgeregter Diskussion um einen Monitor versammeltsehen, werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit Zeuge eines tuángòu.

Das System ist gut eingespielt: Eine Person kümmert sich als „Hauptkäufer(團主)“ um die Logistik, sammelt das Geld ein und verteilt die Artikel, sobald die Bestellung angekommen ist. Für Außenstehende mag die Teilnahme an einem tuángòu trivial erscheinen, aber tatsächlich handelt es sich dabei um ein soziales Ritual. Mitzumachen (auch wenn es nur gelegentlich ist) signalisiert, dass man gewillt ist, Teil des Teams zu sein.  Wer hingegen jedes Mal ablehnt, läuft Gefahr, ungewollt distanziert zu wirken. Wenn Ihnen also das nächste Mal ein Bestellformular zugeschickt wird, probieren Sie einfach, am tuángòu teilzunehmen, und genießen Sie das Gefühl, dazuzugehören – und vielleicht auch einen kleinen Rabatt zu bekommen 😉.

Getränkebestellungen: Die Erweiterung des Gruppenkaufs

Wenn tuángòu für gemeinsames Konsumieren steht, dann geht es bei der täglichen Bubble-Tea- oder Kaffeerunde um die gemeinsame Vorfreude. Vormittags oder nachmittags stellt unweigerlich jemand die Frage: „Wer möchte etwas trinken?“ Innerhalb weniger Minuten füllt sich das Büro mit einer Flut von Bestellwünschen:

„Brown Sugar Bubble Tea, halbe Menge Zucker, ohne Eis.“

„Iced Americano, groß, ohne Zucker, wenig Eis.“

Bestellungen aufzunehmen ist dabei fast schon eine eigene Kunstform – und wer sich freiwillig meldet, holt nicht einfach nur Getränke, sondern sammelt auch Sympathiepunkte. Wenn erfahrene Mitarbeitende die individuellen Sonderwünsche ihrer Kolleginnen und Kollegen auswendig kennen, ist dies eine Art unausgesprochene, freundschaftliche Verständigung zwischen Kolleginnen und Kollegen.

Für internationale Besucher ist das Anbieten einer Getränkerunde (und das humorvolle Meistern des Bestellchaos) einer der schnellsten Wege, um das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen. Was könnte schließlich taiwanischer sein, als seine Mitarbeitenden zu fragen: „Möchten Sie Bubble oder Cheezo?“

Möchten Sie lernen, wie man Bubble Tea auf Mandarin bestellt? Dann werfen Sie einen Blick auf unseren Bubble-Tea-Guide!

Gemeinsam Kaffee oderBubble Tea zu bestellen, ist ein einzigartiges taiwanisches Ritual amArbeitsplatz.

Die Kunst des Schenkens

Das Schenken hat in Taiwan eine tiefe symbolische Bedeutung und kann berufliche Beziehungen entscheidend beeinflussen. Dabei geht es weniger um den materiellen Wert als vielmehr um die kulturelle Bedeutung hinter dem Geschenk. Hier sind ein paar Tipps für internationale Fachkräfte, die neu in Taiwan sind:

Was man schenken kann

Sichere Optionen sind hochwertige Produkte aus Ihrem Heimatland: handgemachte Spezialitäten, besondere Tees oder Kaffees, Marken-Schreibwaren oder kulturelle Gegenstände, die Ihr Heimatland repräsentieren. Kleine, aber durchdachte Geschenke hinterlassen oft einen besseren Eindruck als aufwendige Geschenke, und Sie können gleichzeitig das Eis brechen, indem Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen Ihre Kultur näherbringen.

Was man besser nicht schenkt

Bestimmte Gegenstände haben eine unglückbringende Bedeutung:

Vermeiden Sie es, dieseArtikel Ihren Kolleginnen und Kollegen zu schenken – und generell allenMenschen in Taiwan

Die Präsentation zählt!

Außerdem sollten Sie schwarze oder weiße Verpackungen meiden. Ihre Geschäftspartner oder ältere Kolleginnen und Kollegen schätzen rote, goldene oder farbenfrohe Verpackungen, während die jüngere Generation weniger auf die Farbe als vielmehr auf das Design achtet.

Auch Zahlen spielen eine Rolle. Obwohl gerade Zahlen bevorzugt werden, da sie für Glückspaare und Vollständigkeit stehen, ist die Zahl 4 (四, sì) Tabu – sie ist ein Homophon für das Wort „Tod “ (死, sǐ). Sie sollte unbedingt gemieden werden, zum Beispiel bei Geschenksets. Unter den geraden Zahlen ist die Acht (八, bā) besonders beliebt, da sie im Mandarin wie „reich werden“ (發, fā ) klingt.

Moderne Zeiten – moderne Lösung

Mit dem kulturellen Wandel nimmt die junge Generation viele dieser traditionellen Tabus rund ums Schenken nicht mehr ganz so streng. Sollte Ihr Geschenk trotzdem in eine „verbotene“ Kategorie fallen, werden sich jüngere Kolleginnen und Kollegen deswegen wahrscheinlich keine großen Gedanken darüber machen – insbesondere dann nicht, wenn es eine gut gemeinte Geste ist.

Wenn Sie dennoch befürchten, dass die oder der Beschenkte empfindlich reagieren könnte, gibt es einen cleveren Trick: Bitten Sie die Person beim Überreichen des Geschenks scherzhaft um NT$10 (etwa 0,30 Euro). Nimmt sie die Münze an, wird das Geschenk symbolisch „gekauft“ statt geschenkt. Dieser kleine Tausch neutralisiert jegliches Unglück, das mit dem Gegenstand verbunden ist. Gleichzeitig zeigen Sie kulturelles Feingefühl und die gute Absicht hinter Ihrer Geste wird bewahrt. Es ist ein humorvoller Brückenschlag zwischen Tradition und moderner Höflichkeit.

Abschluss und Neubeginn am Esstisch

Zu den am meisten erwarteten Ereignissen im Unternehmenskalender gehören wohl die Jahresabschlussfeier (尾牙, wěi yá) und das Frühlingsbankett (春酒, chūn jiǔ). Beides sind aufwendige Veranstaltungen, die ein Festessen mit Unterhaltung und Ritualen verbinden, aber in der Arbeitskultur leicht unterschiedliche Rollen erfüllen. Während die Jahresabschlussfeier das Jahr mit Dankbarkeit, Glück und oft einer spektakulären Tombola ausklingen lässt, leitet das Frühlingsbankett einen neuen Zyklus ein und symbolisiert einen Neuanfang und erneute Verbundenheit nach den Ferien zum Mond-Neujahr.

尾牙 – Das Jahr ausklingen lassen

Historisch gesehen war wěi yá mit der Verehrung der Dorfgottheit Tudigong (土地公) verbunden. Am 16. Tag des 12. Mondmonats luden Geschäftsleute traditionell zu einem Festmahl ein, um der Gottheit für den Wohlstand zu danken und gleichzeitig ihre Mitarbeitenden zu belohnen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus diesem Ritual das heutige Firmenbankett: immer noch ein Fest der Dankbarkeit, aber heute mit Karaoke, Sketchen und einem Maß an Extravaganz, das einem Hochzeitsbankett in nichts nachsteht.

Wěi yá ist nicht nur ein jährliches Festessen, das vonUnternehmen veranstaltet wird, sondern umfasst auch verschiedene Formen derUnterhaltung.

Ein typisches Wěi-Yá-Bankett umfasst ein Zehn-Gänge-Menü in einem Hotel oder Bankettsaal, bestehend aus Meeresfrüchten, aufwendigen Suppen und symbolischen Gerichten wie einem ganzen Fisch als Zeichen für Überfluss. Alkohol wird großzügig ausgeschenkt und es ist üblich, dass Führungskräfte (主管,zhǔ guǎn)von Tisch zu Tisch gehen und mit den Mitarbeitenden anstoßen.

Der vielleicht extravaganteste Teil einer wěi yá sind die Minikonzerte, die manche Unternehmen veranstalten. Große Unternehmen engagieren oft Popstars oder Sänger, die einen kurzen Auftritt haben, Spiele mit den Angestellten spielen und danach die Veranstaltung wieder verlassen. Diese Praxis hat sich allmählich zu einem unausgesprochenen Wettbewerb unter den großen Firmen entwickelt: Je wohlhabender das Unternehmen, desto größer der Star, den es einlädt. Jobportale veröffentlichen sogar jährliche Übersichten, in denen die Wěi-Yá-Besetzungen verglichen werden, da der Star-Faktor zu einem Anziehungspunkt für potentielle Mitarbeiter geworden ist.

Ein weiteres Highlight der wěi yá ist die mit Spannung erwartete Tombola. Die Preise reichen von Haushaltsgeräten bis hin zu Luxusartikeln. Mit jeder gezogenen Losnummer steigt die Spannung und die Gewinner werden oft für interne Newsletter fotografiert oder in sozialen Medien des Unternehmens vorgestellt.

Eine interessante Tradition: Wenn Manager, Führungskräfte oder Vorstandsmitglieder gewinnen, wird in der Regel von ihnen erwartet, dass sie auf ihren Preis verzichten, damit er erneut in den Lostopf wandert. Der Gedanke dahinter ist klar: Die Tombola soll die Loyalität der Mitarbeitenden belohnen und die Moral vor dem neuen Jahr stärken. Würden die Hauptpreise an die Vorgesetzten gehen, würde dieser Effekt verloren gehen. Wenn Sie also in einer leitenden Position sind und Ihre Nummer gezogen wird, sollten Sie Ihren Preis an Ihr Team weitergeben – ganz im Sinne des Festgedankens.

春酒 – Ins neue Jahr starten

Während  wěi yá für Abschluss steht, geht es bei chūn jiǔ um Erneuerung. Frühlingsbankette, die nach den Neujahrsfeiertagen stattfinden, heißen die Belegschaft nach der Pause willkommen, geben den Teams neue Energie und dienen oft als Plattform für die Unternehmensleitung, um Ziele und Strategien für das kommende Jahr bekannt zu geben. Die Atmosphäre ist etwas zukunftsorientierter, mit Themen wie Wachstum und Zusammenhalt. Zwar ähneln Speisen und Feierlichkeiten der wěi yá, doch chūn jiǔ fällt meist etwas kleiner aus und manche Unternehmen verzichten sogar ganz darauf. Zusammen zeigen beide Feste, wie Taiwan Tradition und Moderne im Gleichgewicht hält: Die Vergangenheit wird gewürdigt, während der Arbeitsplatz lebendig, inklusiv und mit Freude verbunden bleibt.

Drei-Feste-Bonus: Aus Kultur Kapital schlagen

Meist inroten Umschlägen überreicht (manchmal auch direkt auf das Konto derMitarbeitenden überwiesen), ist der sogenannte Drei-Feste-Bonus ein Ausdruckder Wertschätzung des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitenden.

Neben Festessen freuen sich Beschäftigte in Taiwan auch auf den Bonus zu den drei traditionellen Festen (三節獎金, sān jié jiǎng jīn). Unternehmen verteilen zum Neujahrsfest, zum Drachenbootfest und zum Mittherbstfest Geldgeschenke in roten Umschlägen. (Erfahren Sie mehr darüber in unserem Leitfaden zu roten Umschlägen!)

Unter diesen drei Boni ist der Neujahrsbonus, auch bekannt als Jahresendbonus (年終, nián zhōng), das absolute Highlight. Nián zhōng entspricht oft einem oder zwei Monatsgehältern – in profitablen Branchen sogar mehr. Die Höhe dieses Bonus ist für Jobsuchende ein entscheidendes Kriterium; sie vergleichen, wie viele „Monate“ ausgezahlt werden. Viele Mitarbeitende planen ihre Kündigung auch entsprechend um diesen Zeitraum herum und bleiben gerade so lange, bis sie die Auszahlung erhalten haben. Dieses Abwarten der Bonuszahlung löst dann die jährliche Kündigungswelle aus.

Zwischen Zugehörigkeit und Geschäft

Die Arbeitskultur in Taiwan ist ein Mosaik aus Ritualen, Etikette und modernen Einflüssen. Ob Bubble-Tea-Bestellung, symbolische 10 NT$ oder eine 尾牙 gespickt mit Stars – jeder dieser Bräuche spiegelt ein Gleichgewicht zwischen Herzlichkeit und Hierarchie sowie zwischen Tradition und Innovation wider.

Für internationale Partner lohnt es sich, sich auf diese Feinheiten einzulassen – sie erleichtern die Abwicklung von Geschäften und schaffen Vertrauen. Schließlich geht es im Geschäftsleben in Taiwan nicht nur darum, Geschäfte abzuschließen. Es geht darum, dauerhafte Beziehungen aufzubauen.

Glossar

  • 職場(zhí chǎng):Arbeitsplatz
  • 同事(tóngshì):der Arbeitskollege, die Arbeitskollegin
  • 團購 (tuángòu):Gruppenkauf
  • 死(sǐ):Tod
  • 發(fā):reich werden
  • 春酒(chūn jiǔ):Frühlingsbankett
  • 尾牙(wěi yá):Jahresabschlussfeier
  • 主管(zhǔ guǎn):der Vorgesetzte, die Vorgesetzte
  • 三節獎金(sān jié jiǎng jīn):Drei-Feste-Bonus
  • 年終(nián zhōng):Jahresendbonus

Bibliography

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